Freitag, 16. September 2011

Lob der Stahlnadel.

Tatsächlich hängt der Spaß und der Erfolg einer jeden Arbeit stark von den Werkzeugen ab, die zur Verfügung stehen. Das gilt für jegliche Tätigkeit, und natürlich auch fürs Stricken. Nun ist es selbstverständlich so, dass man mit Stricknadeln, die "ok" sind, schöne Wirkwaren produzieren kann. Die meisten meiner Stricknadeln sind "ok", das heißt: sie tun was sie sollen. Erst langsam komme ich dahinter, dass zwischen den einzelnen Nadeln in meinem Besitz enorme Unterschiede bestehen.

Begonnen habe ich mit einem schönen Fundus an ererbten Stricknadeln, den meine Mutter mir irgendwann in einem alten, gelben Sofakissenbezug überreichte (inzwischen etwas nadelfreundlicher/benutzerfreundlicher verpackt).

Ich bezweifle, dass es ihre Nadeln waren - meine Mutter strickt eigentlich nicht - aber vielleicht sind es auch mehrere Nadelgenerationen verschiedener Strickerinnen. Mein erstes eigenes Nadelpaar habe ich von der Freundin, die mir das Stricken (Maschenanschlag, rechts, links "combined") beigebracht hat:
Das erste Paar vergisst du nie...?
zu Weihnachten 1995 (oder 1996?) erhielt ich ein paar 6er Holznadeln mit dicken Knubbeln am Ende, wie aus dem Bilderbuch.

Zum Üben war das ok, aber obwohl ich vom Prinzip "Maschenprobe" erst sehr viel später erfahren habe, und bis heute Probleme habe, die richtige Nadelstärke für die jeweilige Wolle festzulegen, bin ich schon sehr bald auf die in meinem Besitz befindlichen, dünneren "Erbnadeln" ausgewichen.
Die 8er sind von mir, der Rest geerbt


Nadelspiele benutze ich zur Zeit fast gar nicht - kommt sicher wieder irgendwann
viele sind auch verbogen, aber es sind auch einige tolle Sätze von dünen, spitzen Stahlnadeln dabei! (vorne)
Diese bestehen fast alle aus Metall, in der Regel mit diesem matten Aluminium-Finish, das für mich "deutsche Einheitsnadel" heißt und heute m.W. von Prym hergestellt wird. Diese Nadeln waren leichter als die dicken Holzknüppel und die Wolle rutschte besser, vorausgesetzt, die alte Nadel war nicht alzusehr verbogen oder schartig. (Die schlimmsten Exemplare, auch die partnerlosen, habe ich allerdings irgendwann mal entsorgt.)

2/3 geerbt, 1/3 neu - blaue Kabel sind neue Nadeln
Als ich vor ein paar Jahren anfing, vermehrt und regelmäßiger und vor allem auch auf Bahnfahrten zu stricken, entdeckte ich die Rundstricknadel für mich. Man pieckst seinen Bahnnachbarn nicht ständing in die Seite, kann das Strickstück leicht "sichern", indem man es auf das Kabel schiebt, und der Magic Loop eröffnet ganz neue Möglichkeiten gegen Zweitsockenmüdigkeit. Natürlich benutze ich auch hier immer noch Erbnadeln, habe aber einen große Anzahl neu dazu gekauft.

Das Schwierige an Rundstricknadeln ist ja bekanntlich, für den richtigen "Flutsch" zu sorgen. Das Kabel darf nicht zu dick sein, damit es elastisch bleibt, aber auch nicht zu dünn, denn sonst hakt es am Übergang zur Nadel. Dieser muss glatt und fest gestaltet sein, keinesfalls dürfen sich hier Fädchen verheddern! Die optimale Länge festzulegen ist ein weiteres Problem, das ich noch nicht gelöst habe, aber im Zweifel finde ich länger besser (magic loop) - mit 80er Kabeln fahre ich bisher am besten, reicht das nicht, kombiniere ich zwei davon.

Die neueren Modelle der "Einheitsnadel" zeichnen sich vor allem durch ein elastischeres, im Vergleich zu meinen Erbnadeln etwas dünneres Kabel aus - ich stricke ganz gerne mit ihnen, aber eigentlich hätte ich gerne etwas mehr Spitze. So kamen die ersten Knitpicks Symfonie (Leimholznadeln) in meinen Besitz. Herrlich spitz, war ich erst ganz begeistert. Doch obwohl ich nicht sehr fest stricke, ist mir bereits eine Nadel gebrochen (nein, ich saß nicht drauf!), und bei den anderen hatte ich immer Probleme mit dem Kabel - häufig schraubte es sich auf (bei den Wechselspitzen), einmal ist es sogar gerissen. Offenbar zuckele ich zuviel am Kabel, was wiederum heißt, dass es -trotz Elastizität- nicht richtig flutscht... Jedenfalls habe ich ich für mich Knitpicks von zukünftigen Einkaufslisten gestrichen. (Noch in meinem Besitz befindliche werden selbstverständlich noch kaputtgestrickt werden!)

Meine neue Liebe gilt jedenfalls den aus der Not heraus gekauften "Red Lace"-Stahlnadeln des chinesischen Herstellers Chiaogoo.
  Als "Lace"-Nadeln sind sie angenehm spitz, ohne dass man sich gleich die Finger blutig sticht, und da ich mich auf die dünnen Sockenwollstärken (2/2,25/2,5/2,75) konzentriert habe, sind sie auch nicht zu schwer.
 Das Kabel besteht aus einem dünnen, gedrehten Stahlseil, das mit rotem Kunststoff ummantelt ist  und erinnert mich vage an ein sehr dünnes Fahrradschloß.
 Der Übergang zur Nadel ist glatt und hindernisfrei, bisher muss ich kaum zippeln oder ruckeln - es strickt sich fantastisch damit! Der Preis von USD 8,99 entspricht ungefähr EUR 6,50 - das ist nicht superbillig, scheint mir aber noch in Ordnung zu sein, und lag - zumindest in den USA - bei knapp der Hälfte des Preises für die eigentlich begehrten Addi Lace...Die Nadeln sind auch in Deutschland erhältlich, allerdings ist es Firmenpolitik, keine großen Ketten oder Kaufhäuser, sondern nur kleine Einzelhändler zu beliefern...

Dies sind natürlich rein persönliche Erfahrungen. Jeder Jeck ist anders, und jede/r von uns strickt unterschiedlich, mit eigenen Vorlieben und Kniffen. Auch macht es einen Unterschied, ob man Socken oder Lace-Schals, Pullover oder Kopfkissenbezüge, Zöpfe, Ajourmuster oder mehrfarbig strickt. Aber erst das Internet-Stricken, Ravelry, und vor allem auch Berichte über  Maschenproben mit unterschiedlichen Nadeln (nicht: Nadelstärken!) haben mir klargemacht, wieviel Unterschied das Nadelmaterial macht!
Ich werde noch viel stricken müssen, bis ich auf Anhieb die "perfekte Nadel" für ein Projekt identifizieren kann - aber zumindest wächst langsam die Erfahrung, und ich beginne die Wahlmöglichkeiten zu schätzen...